Im September 2010 besuchten wir die Autostadt Wolfsburg. Künstlerkollegen und Freunde schwärmten begeisternd von den dortigen Fahrzeugen, und ich solle doch unbedingt einmal dorthin. Meine Nachfrage nach dem Urheberrecht wurde mit den Worten beantwortet: „… da läuft jeder mit einer Kamera rum. Es gibt keine Fotografieverbote, das Gelände ist frei zugänglich. Muss man einfach mal gesehen haben.“ Der Dolchstoß kam zwei Jahre später in Form der VG Bild-Kunst.
Voller Vorfreude fuhren wir im September 2010 nach Wolfsburg. Mit dabei meine zwei Studiokameras. Schon der Fußweg in Richtung Autostadt mit Blick auf die zwei Autotürme signalisiert dem Besucher, hier spielt Geld keine Rolle. Und wen interessiert schon das Urheberrecht? Schließlich weiß auch VW um die Macht des Bildes, denn durch die täglich von Tausenden von hochgeladenen Fotos stabilisiert der Autokonzern sein Image. Quasi zum Nulltarif, denn der Besucher lässt viel Geld in Wolfsburg.
So schlenderten wir vorbei an interessanten Autoausstellungen, freundlichen Mitarbeitern und einer fotografierenden Besuchermeute. Verbotsschilder für Fotoaufnahmen? Fehlanzeige. Dann standen wir vor einem schlichten Gebäude. Uns empfing schlagartig eine andere Welt. Mystisch, ja schon fast sinnlich, thronte das schnellste Serienfahrzeug der Welt erhaben vor sich hin. Überall sah man Besucher mit Kameras, die den Eindruck festhalten wollten. Der Bugatti Veyron Chrome präsentierte sich wie eine Diva. Bereit für meine Kameras. Vorab fragte ich eine Autostadt-Mitarbeiterin nach dem Urheberrecht. Schließlich befanden wir uns in einem abgeschlossenen Raum. Die Antwort kam als Freifahrtschein mit den Worten: „…Sie können alles fotografieren“.
Nach unserem Besuch schrieb ich einige Artikel auf meinem Blog über die Autostadt Wolfsburg, natürlich mit den Aufnahmen des Bugatti Veyron Chrome. Im Jahr 2012 kam, wie oben schon angedeutet, der Dolchstoß. Die VG Bild-Kunst meldete sich mit dem Hinweis, den Künstler Olaf Nicolai zu vertreten. Der sei verantwortlich für die Verchromung. Gemäß der Vereinbarung zwischen der VW Autostadt Wolfsburg und dem Künstler dürften KEINE Fotos vom Bugatti Veyron Chrome ohne vorherige Genehmigung veröffentlicht werden.
Völlig irritiert trat ich einen Schriftwechsel los. Zu guter Letzt schickte man mir eine Lizenz-Preisliste. Hiernach hätte ich je veröffentlichtes Foto ca. 500,– Euro netto p. Monat zu zahlen. In meinem Autostadt-Bericht gab es insgesamt 6 Aufnahmen, defakto müsste ich also 3.000,– Euro p . Monat an Lizenzgebühren in Richtung VG Bild-Kunst abführen.
Es geht natürlich auch preiswerter. Nämlich als Privatperson. Hier fällt eine Lizenzgebühr in Höhe ab 1,00 Euro je veröffentlichtes Foto an. Somit begehen jeden Tag tausende von Usern, aber auch Bildagenturen, eine Urheberrechtsverletzung, wenn sie ihr Foto von der Autostadt Wolfsburg hochladen, zum Beispiel in diversen Fotocommunities. Da wohl die Wenigsten ihre Fotoveröffentlichung bei der VG Bild-Kunst angemeldet haben, wäre in der weiteren Auslegung des Urheberrechts die Möglichkeit einer Klage gegeben. In einem solchen Fall kommen schnell ein paar tausend Euros zusammen.
Natürlich habe ich bei der Autostadt Wolfsburg eine Anfrage gestartet. Freundlicherweise meldete sich im Februar auch eine Mitarbeiterin, und wollte die Sache klären. Wie dort der Stand der Dinge ist kann ich nicht sagen. Doch nach wie vor gibt es keine Hinweise auf dem Gelände der Autostadt. Das heißt, täglich tappsen tausende von Besucher in die Urheberrechtsfalle, indem der Bugatti Veyron Chrome fotografiert, und das Foto im Internet hochgeladen wird.
Kurioserweise darf der Bugatti fotografiert werden. Nur eben nicht die Verchromung. Wie das aber gehen soll ist selbst mir ein Rätsel. Hier liegen nach den bisherigen Informationen zwei Urheberrechte vor. Einmal das Fahrzeug selbst, und dann die Kunstinstallation.
Um nicht Missverstanden zu werden. Die VG Bild-Kunst ist eine wichtige Institution für uns Fotografen und Künstler. Sie vertritt unsere Rechte, denn wer von rechten lebt kann auf rechte nicht verzichten.
Schon alleine aus Schutz des Markenimage kann hier nur die Autostadt Wolfsburg Abhilfe schaffen. Entweder in Form von Hinweisschildern an der Bugattihalle, oder in einer Vereinbarung mit dem Künstler Olaf Nicolai und der VG Bild-Kunst. Für mich ist die Marke „VW“ seit diesem Vorfall mit einem Negativimage behaftet.
Informationen zum Bugatti und der Verchromung finden Sie hier: Olaf Nicolai: „Après vous“ und die Autostadt Wolfsburg
Der Künstler Olaf Nicolai (Quelle: Autostadt Wolfsburg)
Olaf Nicolai wurde 1962 in Halle (Saale) geboren. Er lebt und arbeitet in Berlin. Der Künstler studierte Germanistik (Literatur & Linguistik) in Leipzig, Budapest und Wien. 2002 erhielt er den Kunstpreis „Junge Stadt sieht junge Kunst“ der Stadt Wolfsburg.
11 Responses to Urheberrecht: Irritation der Autostadt Wolfsburg