Der Rheinländer ist in Deutschland eine Ausnahmeerscheinung, nicht nur im dialektischem Sinne, sondern auch in seinem Handeln. Beispiel: Ihr Gegenüber erzählt Ihnen, er habe Rücken. Ihr Gegenüber meint jetzt NICHT, das er einen Rücken hat. Nein, sondern er hat Schwierigkeiten mit dem Rücken, z. B. Bandscheibe. Gleiches gilt für:
– ich habe Kreislauf
– ich habe Kopf
– ich habe wirr
Wenn Ihr Gegenüber während eines Gespräches plötzlich nach oben schaut, ist dies keine unhöfliche Geste. In einem solchen Falle fängt der Rheinländer an zu „semilieren“. Er trennt quasi Geist und Körper, und betrachtet die Sache von oben. Ein solcher Zustand kann durchaus mehrere Minuten dauern. Ganz schlimm wird es, wenn der Rheinländer dann seinen Kopf zwischen zwei Fingern stülpt. Es findet dann eine Art der Kommunikation mit „sich selbst“ statt.
Ein Rheinländer ist ein kleingeistiger und multikulturell interessierter Mensch. Für ihn beginnt das Ausland immer an der Stadtgrenze seines Wohnortes. Beispiel: für einen Kölner liegt Bonn weit unterhalb von Köln, und Düsseldorf ist die Achse des Bösen im Osten.
Es gibt mehrere Dialektbesonderheiten. Während im Kölner Raum eine Art urzeitlicher Artikulation stattfindet, erleben wir im Aachener Raum eine Art Sing-Sang. Da die Niederländer einen Teil aus Aachen und dem Selfkant übernommen haben, findet hier eine offene und freundschaftliche Feindschaft statt. Der Düsseldorfer wiederum probt sich in vornehmer und gestelzter Sprache, so das ein Kölner sagen würde: …ich habe wirr.
Die Umlaute werden gezogen. So wird vor einem „ch“ oftmals ein „s“ vorgesetzt. Beispiel: „Ich“ = „Isch“. Da mit solchen Einschiebungen die Sätze länger werden, können Sie stundenlang mit einem Rheinländer über Ni(s)chtigkeiten an der Theke diskutieren, ohne das jemals ein Sinn zu erkennen wäre. Wir nennen das small-talk.
Ein Rheinländer bringt Dinge schnell auf den Punkt, da er sich seiner sprachli(s)chen Hemmnisse dur(s)chaus bewusst ist. Aus dem Satz: „…kann es sein, das Sie das Ding in den Sand gesetzt haben“ wird kurz und knackig: „…Du doof“. Punkt. Also ähnlich „…ich habe Kreislauf“.
Ein Rheinländer ist charmant. Hat er einmal die Fährte aufgenommen, lässte er ein wahres Feuerwerk aufsteigen. Mit filigranem Wortgespür spri(s)cht er das weibli(s)che Wesen seiner Gunst an: „Hallo Schätzelein, was haste denn noch vor, nachdem Du bei mir warst“. Hier zeigt sich die Wortgewandtheit des Rheinländers. Denn eigentlich meint er „Tach, i(s)ch habe scharf…“
Herzlichst Ihr Rheinländer Dieter Gotzen
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